Interview mit David Snider

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Interview
Interview mit David Snider
Bekannt als Entwickler von David's Midnight Magic
Geführt von Steve Davidson (Autor des Artikels)
Geführt am Dezember 1983
Erstveröffentlichung Tele Match Nr. 01/1984


Inside Gaming: David Snider - Der Mann der "Magical Midnight"

David Snider

Lebhaftes Beifallsgemurmel erfüllte den Ballsaal des renommierten Hotels in New York City im Dezember vergangenen Jahres, als den Vertretern der Elektronik Industrie der Preisträger des Fourth Annual Arcade Award genannt wurde: David Snider erhielt die begehrte vergoldete Statuette für sein Spiel David's Midnight Magic. Dieses "Computerspiel des Jahres", vom Softwarespezialisten Broderbund für den Apple II veröffentlicht, begeisterte überzeugte Flipperspieler wie Computerspiel Enthusiasten gleichermaßen. Und das will gerade bei der erstgenannten Gruppe etwas heißen, denen Silberkugeln und Prellpuffer wichtiger sind als elektronische Effekte.

Kenner und Kritiker der Elektronikbranche haben schon oft die offenkundige Parallelität zwischen dem Videospielmarkt und der Schallplattenbranche betont Eine sehr wichtige Ähnlichkeit indes wird zumeist außer acht gelassen, nämlich die Situation, in der sich hier die Band mit einem sensationellen Debütalbum befindet und da der Spieldesigner; der auf Anhieb einen Arcade Award gewinnt. In beiden Fällen ist die Erwartungshaltung des Publikums groß, und man ist gespannt ob man nun die Geburt eines neuen Stars miterlebte oder lediglich Zeuge des kurzen, strahlenden Aufflammens einer Super Nova war, die wenig später vergessen sein wird. Letzteres gilt das kann man jetzt schon sagen, für David Snider sicher nicht. Noch bevor er die Auszeichnung bekam, hatte er bereits einen zweiten Hit gelandet Serpentine, ebenfalls im Hause Broderbund veröffentlicht.

David Snider ist in zweifacher Hinsicht typisch für die Zukunft des elektronischen Spielvergnügens. Nicht nur, dass der 23jährige Detroiter einer der wohl talentiertesten Gamedesigner ist. Er muss vielmehr als der Typ von Spieldesigner betrachtet werden, der die Industrie künftig prägt. Das gilt auch für seinen beruflichen Werdegang.

Anders als bei den Computerspiel Pionieren, die Mitte der Siebziger Jahre die Szene gestalteten, war Sniders Entwicklung von Anfang an auf den Beruf des Programmierers ausgerichtet. Viele der Frauen und Männer, die die ersten Videospiele für den Homebereich entwickelten, kamen aus völlig fremden Berufen und hatten vorher noch nie mit Computern zu tun. Snider dagegen wuchs in der Welt der Videospiele auf, da sie natürlich in seiner Jugend bereits zum Alltag gehörten. "Nach meinem ersten Jahr an der Uni wusste ich, dass eine Menge Leute für den Apple Software schrieben und damit einen Haufen Geld verdienten. Zwei Jahre später stand ich vor der Entscheidung, entweder einer ähnlichen Arbeit wie meine Kommilitonen nachzugehen oder aber ein Programm zu schreiben und meine eigene Software Company zu gründen." Da Snider die üblichen Anwenderprogramme noch nie sonderlich gereizt haften, war es keineswegs überraschend, dass er sich für das Programmieren von Spielen entschied.

Er schildert uns, wie David's Midnight Magic entstand. "Ich sah Raster Blaster, dieses Wahnsinnsspiel von Bill Budge. Damals wusste ich nicht dass man sowas auf dem Apple machen konnte." Die Familie war seit je Flipper begeistert, Bally's Space Time stand im Hause und wurde ständig bespielt. Also war die Entwicklung eines Computer Flipperprogramms naheliegend. Im September 1981 war das Programm zur Hälfte fertig. "Ich hatte mir vorgestellt es würde reichen, tausend Disketten zu kaufen, Verpackungen zu besorgen, die Sache zu überspielen und zu verkaufen. Und dann stünde meine Software Company eben da", erinnert er sich.

Wie so oft lief es auch bei David ganz anders: Auf dem Weg zu seiner Freundin Julia, die inzwischen seine Frau ist damals aber in Kansas City wohnte, blieb er in Chicago hängen. Dort fand gerade eine Computer Konferenz statt. In dem Getümmel lernte David zufällig Doug und Kathy Ganston von Broderbund kennen, die er als "sympathische und außerordentlich hilfsbereite Leute" charakterisiert. Doug sah sich an, was David vorzuzeigen hatte und schlug ihm dann ein ausführliches Gespräch vor. Diese Unterhaltung hatte Folgen, zeigte sie doch David den einzig richtigen Weg. "Mir wurde bewusst, dass ich programmieren wollte und für die geschäftliche Seite völlig ungeeignet war" Er wurde ins Creative Team von Broderbund aufgenommen und widmete sich fortan ausschließlich der Spielentwicklung. Im Frühjahr 1982 lag Midnight Magic in den Charts ganz oben. Indes bereitete David seinen zweiten Coup vor. "Die Idee zu Serpentine" bemerkt David, kam eigentlich zufällig. "Ich experimentierte mit Computeranimations-Routinen." Das ist natürlich reichlich untertrieben und bescheiden, wie jeder bezeugen wird, der die zahlreichen, sich bewegenden Objekte mal auf dem Bildschirm gesehen hat. Team Arbeit wie sie in anderen erfolgreichen Software Häusern üblich ist akzeptiert David Snider. Mehr aber auch nicht. Sein ganz persönlicher Arbeitsstil, seine Einstellung zur Spielentwicklung gebietet ihm, alles alleine zu machen - buchstäblich von A bis Z. Was allerdings nicht heißt dass er "a little help from a friend" grundsätzlich ablehnt.

Nehmen wir zum Beispiel den kleinen Frosch, der in Serpentine mitspringt. Die Idee dafür und seine Gestaltung hatte bzw. lieferte seine Frau Julia, deren Interessen im Bereich Zeichnen und Malen liegen. Mit der Adaption seiner beiden Apple Spiele Hits für Atari Computersysteme ist David nicht sonderlich zufrieden. Wie er meint ist David's Midnight Magic zu anspruchslos geraten. "Das liegt unter anderem daran, dass das Spielfeld in der Atari Version lediglich vierfarbig angelegt ist statt der Sechsfarbigkeit im Original. Weiterer Kritikpunkt ist die relativ geringe Kapazität des Serpentine Cartridges. Durch die zur Verfügung stehenden 8 K ROM sind die im Original zwanzig Spielfelder auf fünf reduziert. Was andererseits nichts daran ändert dass die Variationen in sich stimmig sind. Nur muss es für einen Programmierer einfach unbefriedigend sein, seine Arbeit "verstümmelt" wiederzufinden". Diese Enttäuschungen sind es denn auch folgerichtig, die Snider dazu bewegen, sein neuestes Projekt ganz auf die Atari Computersysteme auszurichten. Dabei wird weder geballert, noch gibt es Labyrinthe, noch wird das mit Flippern zu tun haben, verspricht er. Pier 83, so der Arbeitstitel des "Hafenspiels", ist so angelegt, dass die überragenden Grafik- und Sound Möglichkeiten der Atari Computer voll genutzt werden.

Mehr will Snider zu seinem neuesten Kind verständlicherweise nicht sagen. Seine Design Philosophie lässt hoffen, dass er mit diesem dritten Spiel den Hattrick vollmacht. Wie sagt er uns doch? Wenn ein Spiel erfolgreich sein soll, muss es fair sein. Das bedeutet der Spieler muss erkennen können, dass er Fehler im Spiel gemacht hat und nicht den Eindruck vermittelt bekommen, der Programmierer sei ihm einfach überlegen.

Wenngleich der Schöpfer von Serpentine und Midnight Magic im Gesprächsverlauf stets die Wichtigkeit guter Grafik und flüssiger Animation betont ist er doch davon überzeugt, dass ein gutes Heim Videospiel mehr als nur superben optischen Anforderungen genügen sollte. "Es gibt eine ganze Reihe nett gemachter Spiele", findet er; aber die Kernfrage muss doch lauten: Wie viel Spass macht das Spielen? Spielwitz und Spielmotivation sind also die Punkte, auf die David besonderen Wert legt. Sein - sicher nicht unerreichbares - Ziel ist jenes Spiel in dem die bestimmenden Komponenten ausgewogen eingesetzt werden, das durch ständig neue Herausforderung, auch nach vielfachem, Spiel überzeugt. Diese Forderung stellt er an sich selbst und sie ist sein Credo für die Programmentwicklung. "Es muss einfach die Anfängerstufen geben" stellt er überzeugt fest denn sie allein geben dem ungeübten Spieler die Chance, ins Spiel einzusteigen, dabei zu lernen und besser zu werden. Und welche Art von Spielen werden Videospieler, gute wie schlechte, in den kommenden fünf Jahren zu sehen bekommen?

Bei der Beurteilung wirkt David sehr sicher: "Ich werde Spiele programmieren, die detaillierter und subtiler sind, die 'etwas haben'. Das bedeutet in Konsequenz, die Charaktere auf dem Bildschirm haben echte Persönlichkeit und werden nicht mehr wie die üblichen Elektronikmännchen aussehen. Allein dadurch werden die Spiele der nächsten Jahre faszinierender sein".

Quelle: Tele Match Nr. 01/1984 - Autor Steve Davidson

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