Nerd Attack!

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Nerd Attack!
Eine Geschichte der digitalen Welt vom C64 bis zu Twitter und Facebook
Cover/Buchdeckel
Sprache deutsch
Autor(en) Christian Stöcker
Verlag Deutsche Verlags-Anstalt, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH und Spiegel-Verlag, Hamburg
Jahr 2011
ISBN ISBN 978-3-421-04509-6
Neupreis € 14,99.-
Datenträger
Seitenzahl 319
letzte Auflage 2. Auflage
Genre Informatik, Soziologie, Anthropologie
Information




Buchrückseite[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nerd Attack! ist eine Reise zu den Schauplätzen der digitalen Revolution, zu Bastlern und Programmierern, die die Welt verändert haben, zu Hackern und Crackern, einfachen Nutzern und politisch ambitionierten Piraten.

Es erzählt von den Wurzeln der Netzbewegung und davon, wie die Nerds die Gesellschaft unterwanderten, von unstillbarer Neugier und unaufhörlichem Wandel - den wir uns lieber zunutze machen sollten, als uns gegen ihn zu sperren. Angefangen hat all das mit dem C64, der in Millionen Kinderzimmern eine Tür öffnete - den Zugang zur digitalen Welt.

Vorwort[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Sommer 2011 scheint das Internet endgültig seine historische Bedeutung beweisen zu wollen, und sei es mit schierer Nachrichtenpräsenz. Die Despoten in Tunesien und Ägypten sind verjagt, in Libyen tobt ein Krieg zwischen Regierung und Rebellen. Die Regime in Syrien und im Jemen wackeln. All das nahm seinen Anfang, als sich am 17. Dezember 2010 ein junger Tunesier namens Mohammed Bouazizi in seinem Heimatort Sidi Bouzid öffentlich selbst verbrannte, um gegen Ungerechtigkeit und Perspektivlosigkeit in seinem Land zu protestieren. Die Protestbewegung, die daraufhin entstand und sich nicht zuletzt über Facebook und Twitter sammelte, hat mittlerweile weite Teile der arabischen Welt erfasst. Auch in Spanien und der Türkei gehen Zehntausende junge Menschen auf die Straße, aus anderen Gründen, aber in expliziter Solidarität mit der arabischen Jugend. Viele von ihnen tragen seltsame weiße Masken und bekennen sich zu einer gesichts- und führerlosen Gruppierung namens »Anonymous«.

Anderswo entwenden Hacker aus dem Spielkonsolen-Netzwerk des japanischen Konzerns Sony etwa 100 Millionen Datensätze mit Namen, Adressen, Altersangaben und womöglich Kreditkartendaten der Nutzer. Cyber-Guerilleros mit merkwürdigen Namen wie LulzSec machen durch Einbrüche in Firmennetze, aber auch durch direkte Angriffe auf FBI, CIA, den US-Senat und andere Ziele von sich reden.

Westliche Unternehmen und Sicherheitsbehörden sind alarmiert, nicht nur durch die Aktionen solcher Spaß-Hacker. Professionelle Angreifer nutzen Sicherheitslücken in Firmenrechnern aus, verschaffen sich mit den Mitteln des digitalen Trickbetrugs Passwörter oder andere Zugangsmöglichkeiten zu eigentlich strengstens gesicherten Daten. Zu den Opfern gehören Berater aus dem Umfeld von US-Präsident Barack Obama ebenso wie das Rüstungsunternehmen Lockheed-Martin und mehrere Giganten der Öl- und Gasbranche. Die deutsche Bundesregierung reagiert, indem sie ein »Cyber-Abwehrzentrum« gründet, besetzt mit vorerst zehn Beamten.

Seit Jahren verändert das Netz die private und die öffentliche Kommunikation, Mobiltelefone machen es zum selbstverständlichen Alltagsaccessoire. Unterhaltung, Information, Kommunikation, Protest und Propaganda: Alles hat neue Regeln, wird schneller, unübersichtlicher, unberechenbarer. Nerds, die Pioniere der Digitalisierung, sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen, beeinflussen längst nicht mehr nur Technologie, sondern Kultur, gesellschaftliches Zusammenleben, Weltanschauungen. Zugleich hat sich für viele Ältere ein Graben aufgetan.

Wo setzt der Bruch ein? Woher stammen die Zutaten der Netzkultur? Warum sind Raubkopien scheinbar untrennbar mit der digitalen Welt verbunden? Was haben die Commodore-Kids der achtziger Jahre mit Napster, iTunes und den Nöten der Filmindustrie zu tun? Mit den Netzanarchisten von heute? Was verbindet den KGB-Hacker Karl Koch, der 1989 starb, mit dem WikiLeaks-Gründer Julian Assange? Noch immer wird das Internet ebenso wie der Diskurs darüber massiv von den USA dominiert, während sich deutsche Politiker auch 2011 noch unendlich schwer damit tun – warum dieses Gefälle?

»Nerd-Attack!« ist eine Reise zu den Schauplätzen der digitalen Revolution, zu Bastlern und Programmierern, die die Welt verändert haben, zu Hackern und Crackern, einfachen Usern und politisch ambitionierten Piraten. Es handelt nicht in erster Linie von technologischen Entwicklungen, sondern von ihren gesellschaftlichen und kulturellen Folgen, von unstillbarer Neugier und unaufhörlichem Wandel. Angefangen hat all das für viele Menschen – auch für mich – mit dem C64, der in Millionen Kinderzimmern eine Tür öffnete. Einen Zugang zur digitalen Welt.

Inhaltsverzeichnis[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

     Vorwort ..............................................   7
 1   Computer und Kalte Krieger ...........................   9
 2   Kopierer und Künstler ................................  23
 3   Flucht ins All – Spielwelten und Nerd-Kultur .........  53
 4   Hacker = Verräter ....................................  77
 5   Althippies, Acid Phreaks und die Freiheit der Netze .. 105
 6   Digital ist besser ................................... 121
 7   Werkzeuge für Weltenschöpfer ......................... 144
 8   Die Liebe, der Sex und das Netz ...................... 159
 9   Das größte Gratiskaufhaus der Welt ................... 178
10   Remix ................................................ 207
11   Wir Überforderten .................................... 222
12   Die langen Leinen der Konzerne ....................... 236
13   Digitale Grabenkämpfe ................................ 255
14   Infokrieger und Cyber-Anarchisten .................... 275

     Nachwort ............................................. 301
     Quellenverzeichnis ................................... 311
     Personenregister ..................................... 317

Leseprobe[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kopieren ist langweilig (Seite 29)

Für mich als frischgebackenen Besitzer des C64 war die Frage nicht, ob es in Ordnung war, sich raubkopierte Spiele zu verschaffen, sondern nur, wo ich sie herbekam. Kopierte Spiele hatte ich schon häufig gesehen, ich kannte auch die rätselhaften Cracker-Vorspänne, in denen seltsame Spitznamen und Abkürzungen über den Bildschirm scrollten. Woher die Kopien stammten, war mir nicht klar.

Als Erstes ging ich mit einem Zehnerpack Leerdisketten auf Tour durch meinen Freundeskreis. Irgendjemand kopierte mir ein Kopierprogramm, ein paar Spiele bekam ich von den wenigen Jungs in meinem Bekanntenkreis, die auch schon einen C64 ihr Eigen nannten. Mein Geburtsort Würzburg beherbergt eine Universität, eine Fachhochschule und die Regierung von Unterfranken mit allen zugehörigen Ämtern und Behörden, aber kaum Industrie. Würzburgs Schulen waren deshalb voll mit Akademikerkindern, Arzt-, Lehrer- und Juristensöhnen – ein idealer Heimcomputermarkt. Dennoch dauerte es einige Jahre, bis Rechner in Kinderzimmern wirklich verbreitet waren. Meine ersten und üppigsten Kopierfischzüge machte ich denn auch auf dem Land.

Mein Freund Jan lebte mit seinen Eltern auf einem Dorf, eine halbe Stunde Busfahrt von Würzburg entfernt. Dort wohnte auch ein Junge mit dem Spitznamen Easy, der ein paar Jahre älter war als wir Fünftklässler. Easy, der mein erster und ergiebigster Anschluss an ein weltumspannendes Netz von Computerspielern werden sollte, hat mich damals nachhaltig beeindruckt. Er wohnte im ausgebauten Dachstuhl des Hauses seiner Eltern, in einem großen Zimmer mit braunem Teppichboden, das man nur über eine steile Schiffstreppe erreichen konnte. Easy besaß nicht nur einen C64, eine Floppy 1541 und massenweise Disketten voller Spiele – er konnte auch im Zehnfingersystem blind tippen, weil er auf die Realschule ging und dort Schreibmaschinenkurse angeboten wurden. Das erste Mal, als Jan mich nach Schulschluss und einer endlos langen Busfahrt hinaus aufs Land zu Easy mitnahm, erlebte ich als Ehrfurcht gebietendes Ereignis. Da saß ein schlaksiger, eher schweigsamer Junge mit Stahlgestellbrille und Bauchansatz vor seinem 64er, seine Finger flogen über die Tastatur, und das Diskettenlaufwerk ratterte in einem fort. In den Zimmerecken unter der Dachschräge stapelte sich Exotisches, Faszinierendes: Actionfiguren, Plastikraumschiffe, Brettspiele, ein ferngesteuertes Auto, Science-Fiction- und Fantasy-Romane. An der Wand hing ein Poster, das einen muskelbepackten Donald Duck mit einer Bazooka im Anschlag zeigte, mit der Aufschrift »Rambo Duck«. Easy war schon ein Nerd, bevor das Wort in die deutsche Jugendsprache Eingang fand.

Trotz der Schätze in den Zimmerecken interessierte ich mich fast nur für den braunen Rechner auf der vollgemüllten Spanplatte auf zwei Sägeböcken, die Easy als Schreibtisch diente. Und für die mächtige Diskettenbox, die danebenstand. Wir verbrachten einen langen Nachmittag damit, Spiele ins Laufwerk zu schieben, kurz auszuprobieren und sie danach auf die Liste der zu kopierenden zu setzen oder eben nicht. Dann lauschten wir stundenlang dem Tackern und Stöhnen der 1541. In regelmäßigen Abständen musste der Verschluss des Laufwerks betätigt werden, um Disketten herauszunehmen und andere hineinzuschieben. Eine Diskette für den C64 mithilfe nur eines Laufwerks zu kopieren erforderte es, einen möglichst großen Teil des Inhalts in den 64 Kilobyte kleinen Arbeitsspeicher des Computers zu laden. Weil auf eine Diskette aber etwa 170 Kilobyte an Daten passten, musste der Kopiervorgang auf mehrere Runden verteilt werden. Zum Vergleich: Ein dreißigseitiges Textdokument benötigt im Format eines gängigen Textverarbeitungsprogramms etwa 130 Kilobyte Speicherplatz.

Das ständige Öffnen und Schließen des Laufwerks, das Herausziehen und Einführen von Disketten wurden schnell zu einem geübten, aber auch zunehmend verhassten Handgriff, ebenso wie das elegante einhändige Umdrehen. Die Leerdisketten von Verbatim oder der Luxusmarke »Elephant« waren in der Regel dazu gedacht, einseitig beschrieben zu werden. Man konnte jedoch ihre Kapazität mit einer einfachen Papierschere verdoppeln: Knipste man an der richtigen Stelle im oberen Zehntel des rechten Randes der Plastikhülle, in der sich der eigentliche Datenträger verbarg, ein Loch bestimmter Größe, war die Diskette plötzlich nicht mehr ein-, sondern zweiseitig beschreibbar. Nie wieder in der Geschichte der Computer hat sich Speicherplatz so einfach verdoppeln lassen. C64-Besitzer, die etwas auf sich hielten, besaßen einen eigenen Diskettenlocher, mit dem sich rechteckige Aussparungen von genau der richtigen Größe in die Plastikhüllen stanzen ließen.

Meinung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

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Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]