Interview mit Oliver Lindau

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Interview
Interview mit Oliver Lindau alias v3to
Bekannt als Computerspiele-Grafiker
Geführt von Stefan Traublinger
Erstveröffentlichung 29. Dezember 2022 im C64-Wiki


Das C64-Wiki begrüßt im Interview den Computergrafiker Oliver Lindau, aka v3to.


Guten Tag Oliver, vielen Dank für dieses Interview. Du bist als Computergrafiker in der C64-Szene aktiv und erfolgreich – was gibt es denn sonst noch über dich zu wissen, stell dich doch bitte einmal kurz vor. Interessant wäre auch, ob der C64 dein erster Rechner war, wie du dazu gekommen bist und wie alt du damals warst?

Hallo. Mein Name ist Oliver Lindau, ich bin Jahrgang 1972 und lebe in Hannover.
Der erste Rechner bei uns zu Hause war der Schneider CPC 664 mit Grünmonitor meines Vaters. Ich war damals 13 und fasziniert von dem Gerät. Nicht ganz ein Jahr später stand ich davor, mir einen eigenen Computer zu kaufen. Da lockte natürlich das Spieleangebot auf dem C64, allerdings hatte ich mich für einen C128 entschieden. Der Grund dafür war tatsächlich die Erfahrung mit dem CPC, genauer gesagt die vergleichbare Haptik der Tastatur und das ausgereifte Basic. An sich wäre der C64 die sinnvollere Wahl gewesen, denn mit den ersten Spielen verblasste das Interesse an Programmierung recht schnell.
Direkt nach der Schule hatte ich dann auch direkt versucht, in der Spieleentwicklung Fuß zu fassen, was auch ein paar Jahre klappte. 1992 kehrte ich der Branche allerdings weitgehend den Rücken und hatte nur sporadisch mit Softwareprojekten zu tun. Danach drehte sich mein Berufsleben hauptsächlich um Möbel und Mittelstandssoftware. Allerdings sind Games und Grafik immer noch ein gewichtiger Teil meines Lebens. Um 2007 herum verfiel ich dann auch in alte Gewohnheiten und befasse mich seitdem wieder mit Pixelart - vorrangig auf dem C64.


Oliver Lindau erstellte am C64 eine fast
originalgetreue Version von Sonic the Hedgehog...

Und welche Geschichte steckt hinter deinem Handle "v3to"?

Das geht weit zurück bis in meine Grundschulzeit. Genauer gesagt auf ein monopoly-ähnliches Spiel meiner Eltern, bei dem es eine Veto-Ereigniskarte gab. Ich hatte damals die Bedeutung nicht wirklich verstanden, fand aber das Wort cool und es hat sich als mein Spitzname festgesetzt. Später war es schon etwas seltsam, da es aber auch in einigen Regionen ein Vorname ist, habe ich das Handle Veto behalten. Die Schreibweise v3to kam irgendwann über gepixelte Logos zustande.


Wer selber Spiele erstellt, spielt natürlich auf gerne selber – was sind am C64 denn deine Top 5 Lieblingsspiele?

Das sind M.U.L.E, Wizball, Turrican 2, Paradroid und Myth – History in the Making. Zwar nicht ganz in meiner Top Five würde ich gerne noch Sam's Journey als modernes C64-Spiel erwähnen.


Lauter Klassiker und Meilensteine, keine Frage. Und für welche Systeme hast du Software entwickelt? Haben es dir auch andere Homecomputer angetan, oder bist du auf den C64 spezialisiert?

Der C64 ist schon mein Hauptsystem, bin aber nicht darauf festgelegt und arbeite z.B. sehr gerne mit dem Amiga oder Atari Lynx. Sonst hatte ich Projekte für Atari ST, Jaguar, PC, Vectrex und Watara Supervision, bzw. bei Demos auch VCS 2600 und VC20.


Respekt, dann bist ja sehr vielseitig talentiert. Sammelst du auch Hardware?

Sammeln wäre ein großes Wort dafür, aber ich halte an den Geräten fest, die ich in Verwendung hatte. Dabei ist über die Jahre schon eine ordentliche Kollektion an Rechnern, Konsolen und Handhelds zusammengekommen.


Eye of the Beholder in einer solchen Qualität am
C64 wurde im Vorfeld kaum für möglich gehalten...

Du hast mit deinem Team ja erst kürzlich das Mammut-Projekt Eye of the Beholder abgeschlossen und veröffentlicht. Kannst du uns einen kleinen Überblick geben, wie aus der Idee schließlich ein fertiges Spiel wurde?

Die Frage ist ausgehend von Eye of the Beholder nicht so leicht zu beantworten, da der Weg lang und holprig war und auch sonst eher untypisch für ein C64-Spiel. Die Entwicklung begann ursprünglich 2006, wurde 2010 aufgrund Speichermangel auf Eis gelegt (ich bin seit 2009 dabei). 2018 wurde das Projekt quasi wieder neu gestartet.
Es gibt verschiedene Ansätze, ein Spiel zu entwickeln und je nach Art und Genre, auch keinen Königsweg. Wenn man sich an ein Action-Spiel wagt, beginnt man idealerweise mit der Spielmechanik, experimentiert mit Spielelementen und entwickelt passend um diesen Kern weiter. Bei Strategie- oder Rollenspielen kann es sinnvoll sein, mit dem Spielsystem zu beginnen, da man sonst möglicherweise zu schnell an die Grenzen des Systems stößt.
Bei Eye of the Beholder ist die Vorlage für einen C64 gemessen an der Amiga- und DOS-Version überdimensioniert. Insofern hat die Datenverwaltung Priorität. D.h. man braucht frühzeitig umfassend Gameplay-Daten und Grafik-Assetts (zumindest im Dummy-Stadium). Würde man ein Spiel von Grund auf designen, käme diese Basis regulär erst später und im Zuge der Entwicklung zustande.
Ich kann jetzt nicht im Detail aufführen, wie die Entwicklung der Engine zu Beginn vonstatten ging, da ich bei dem Projekt wieder eingestiegen bin, als man bereits schon durch Dungeons laufen konnte. Zu dem Zeitpunkt wurde etappenweise Gameplay-Elemente und die Spiellogik implementiert.
Frühjahr 2019 war der Stand erreicht, dass das Spiel durchgespielt werden kann und ich war mit der Intro-Grafik fertig, so dass Andreas Larsson den Part umsetzen konnte. Nach Fertigstellung der Intro wurde das Spiel erstmals an Tester ausgegeben. Zu der Zeit war noch ein Release Anfang 2020 geplant.
Durch die Tests kamen nicht nur Bugs zutage, sondern auch bereits einzelne Gameplay-Eigenschaften, die vom Original abwichen. Davor kam es allerdings zu der Entscheidung, sämtliche Ingame-Grafik von Hand zu überarbeiten und während der Zeit weiter am Spiel zu feilen. Es dauerte darauf insgesamt noch etwa 2 Jahre, bis das Spiel fertig gestellt war.


Wirklich interessant, wie viel Arbeit in diesem Spiel steckt. Das Ergebnis kann sich dafür auch sehen lassen, in der Szene wird mit Lob ja nicht gespart. Bist du nun erst einmal ausgelaugt oder steht schon wieder etwas neues an? Wie sieht es mit aktuellen oder zukünftigen Projekten aus?

Vielen Dank für das Lob. Momentan ist eine Übergangsphase. Aktuell kümmere ich mich noch um die Webseite und Spieler-Feedback zu Eye of the Beholder, bereite aber auch schon Folgeprojekte vor. Das läuft allerdings alles sehr gemütlich, zumal für mich Pixeln von Grafiken auch Zerstreuung nach Feierabend bedeutet.


Auch die Grafik von Rolling Ronny erntete viel Lob der Spieler...

Was kannst du zu den Gerüchten sagen, laut denen ihr auch eine Boxed Edition plant? Wird es für dem harten Kern der EotB-Fans auch ein hübsch verpacktes Spielmodul für das Sammelregal geben? Aus dritter Hand wurden ja schon ein tolles Set beigesteuert, lasst ihr da noch was halboffizielles folgen?

Das stimmt zum Teil. Aufgrund fehlender Lizenz ist es nicht möglich, eine Box-Version des Spiels zu vertreiben. Allerdings ist eine Cartridge und eine passende Box mit Fanart in Vorbereitung. Genauer gesagt wird das über Kickstarter laufen, nur aus besagtem Grund unabhängig vom Spiel.


Ein kommerzieller Vertrieb wäre auch sicher nicht rentabel, aber die zahlreichen Fans eurer Umsetzung werden sich freuen. In den letzten Jahren tauchte dein Name ja auch bei anderen bekannten "Retro-64er-Editionen" auf. Welche deiner Arbeiten würdest du zu deinen persönlichen Favoriten zählen? Und bei welchen Projekt hattest die meiste Motivation und Freude?

Das sind schon die größeren Projekte: Rolling Ronny, Coma Light 13, Caren and the Tangled Tentacles, Sonic the Hedgehog und Eye of the Beholder. Was den Spaß bei der Entwicklung angeht, ist da kein klarer Favorit dabei, da jedes auf eigene Weise besonders war. Wenn ich davon eins wählen müsste, wäre das aber Caren.


Verständlich, es ist sicher ein gutes Gefühl, wenn man nach langer, harter Arbeit schließlich sein Werk und die Rezensionen im Internet bewundern kann. Ich bedanke mich vielmals für das nette Gespräch. Gibt es noch etwas, das du den Wikilesern sagen möchtest?

Sehr gerne, hat Spaß gemacht. Allen Wiki-Lesern wünsche ich viel Freude mit meinen Spielen und vielleicht trifft man sich mal auf einem Demoscene- oder Retro-Gaming-Treffen.