Interview mit Torsten Seibt

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Interview
Interview mit Torsten Seibt
Bekannt als Ehemaliger Redakteur bei
Commodore Welt
Geführt von Stefan Traublinger
Geführt am April 2021
Erstveröffentlichung 11. April 2021 im C64-Wiki


Das C64-Wiki begrüßt im Interview Torsten Seibt, einen ehemaligen Redakteur der Zeitschrift Commodore Welt.


Guten Tag Torsten, vielen Dank für dieses Interview. Du bist in den den Zeiten, als Commodore seine Goldene Ära hatte, Redakteur bei der Zeitschrift Commodore Welt gewesen. Als Erstes wäre es interessant zu erfahren, bei welcher Gelegenheit und in welchem Alter Du Deinen ersten Kontakt mit Computern hattest? Haben dich die Computer zum Schreiben gebracht, oder war es anders herum?

Im CA-Verlag war ich bei mehreren Titeln zu den damaligen Commodore-Heimcomputern unterwegs. Angefangen bei der Commodore Welt, später Amiga Aktiv, Amiga Power und Commodore Disc. Das Thema Schreiben war bei mir schon als Kind akut. Mein Vater war Journalist, ich habe oft heimlich auf seiner mechanischen Schreibmaschine irgendwelchen Unsinn zu Papier gebracht. Mein erster Computer war ein VC 20 mit Datasette, dafür hatte ich mein Konfirmationsgeld investiert. 14 Jahre alt war ich da und habe nächtelang Listings abgetippt. Erst wollte ich den viel billigeren ZX81 kaufen, aber die „Profi-Tastatur“ des VC 20 war halt das unschlagbare Argument.


Und wie bist du dann zum beruflichen Journalisten geworden? War die Redaktion des CA-Verlages Dein erster Arbeitgeber?

Im exakten Sinn nicht der erste Arbeitgeber, ich habe zuvor rumgejobbt. Bücher ausgefahren, Autoteile zu den Herstellerwerken quer durch Deutschland, nicht sehr zur Freude meiner Eltern. Beim CA-Verlag habe ich dann ein Volontariat begonnen. Der Verlagsinhaber war mein Vater, das Bewerbungsgespräch war denkbar kurz, aber ich werde mich ewig dran erinnern: „Na, erklär Dich!“ sagte er, als ich vor seinem Schreibtisch stand.


Impressum einer Commodore Welt

Besser kann man den Fuß ja nicht in die Türe kriegen, aber dafür wurde dann wohl auch eine Menge von Dir erwartet. Zu welchen Themen hast Du den überwiegend geschrieben, und welche Bereiche des IT-Spektrums interessieren dich am meisten?

Sagen wir mal so, mein Vater gab sich sehr erfolgreich Mühe, den anderen Mitarbeitern zu beweisen, dass ich nicht bevorzugt werde. Aber das ist eine andere Geschichte. Ich kam eher aus der Anwender-Ecke, ein guter Programmierer war ich nie. Deshalb hatte ich vor allem Test-Geschichten zu betreuen. Zubehör, Software, was eben neu reinkam. Außerdem betreute ich die Programm-Listings, das war ja auch so eine schräge Nummer der damaligen Zeit. Leser sandten selbstgeschriebene Programme ein, ich testete die guten davon ausführlich durch und die wurden dann als Listing zum Abtippen im Heft abgedruckt. Mit Ausnahme der Programm-Listings :) bin ich dem Ganzen eigentlich bis heute treu geblieben, ich hab immer gerne Rechner auf- und umgerüstet, neues Zubehör verbaut. Heute halt auf Apple-Basis, wo ich nach dem letztlich gescheiterten Amiga eigentlich zwangsläufig gelandet bin. Mit irgendeinem abgefahrenen Gadget kann man mich bis heute wuschig machen.


Wie lange hast du Commodores Computer denn genutzt? Ein Retro-Liebhaber bist du ja nicht, also wird wohl spätestens Mitte der 1990er Schluß gewesen sein?

Naja, das klingt ein bisschen hart mit dem Retro-Liebhaber, aber tatsächlich habe ich nach und nach umgestellt, weil Computer für mich auch immer vorrangig Arbeitsmaschinen waren. Am längsten hat es übrigens der C128D bei mir ausgehalten, der mir im Nachhinein eigentlich als sympathischstes Modell in Erinnerung geblieben ist. Den habe ich auch privat am längsten eingesetzt. Aber klar, spätestens mit Aufkommen des WWW Mitte der 1990er musste ich mich umorientieren. Auch weil ich seit Anfang an mit dem C64 ein „DFÜ“-Pionier war und das Thema eine (bis heute) große Bedeutung in meinem täglichen Leben hat.


Interessant, dann gehörst Du also zu den Internet-Pionieren der ersten Stunde, und warst wahrscheinlich auch zu BTX-Zeiten schon recht aktiv dabei. Hast du über Deine Arbeit auch mal interessante Leute vom Chaos Computer Club kennengelernt, oder sonstige Szene-Berühmtheiten aus den Commodore-Zeiten?

Was verstehst Du unter „Berühmtheiten“? Ich hatte mit etlichen Entwicklern zu tun, auf beruflicher Seite natürlich auch mit Firmenvertretern, mit dem CCC allerdings nie persönlich. Das war eine andere Szene. Klar, BTX war der Anfang, aber kurz nachdem ich damit begonnen hatte, kamen bei uns schon die ersten Mailboxen auf, die mit C64 und 1541 liefen. Die Al Capone Box in Anzing, deren Betreiber Andreas Greil wurde mein Freund und später sogar mein Kollege, habe ihn leider total aus den Augen verloren. Das alles wurde der Anfang davon, was man heute im Web „Community“ nennt. Die Mailbox-Gemeinde traf sich auch im echten Leben zu Veranstaltungen und Stammtischen. Eigentlich genauso wie es heute in Internet-Foren läuft, nur eben viel rudimentärer. Eine Art CB-Funk mit 40 Zeichen/Zeile; und Akustikkoppler; 300 Baud. Wahnsinn, wie sich das alles entwickelt hat.


Keine Frage, da hast Du eine tolle Zeit miterlebt. Wie sah es bei Dir mit Computerspielen aus? Hast Du, wie die meisten, auch fleißig gezockt oder hat Dich primär die Technik interessiert? Spiele-Tests hast Du meines Wissens ja nicht geschrieben?

Na klar hab ich Spieletests geschrieben, aber frag mich jetzt bloß nicht nach einzelnen Titeln. Ich weiß nur noch, dass mich Textadventures unendlich gelangweilt haben. Auf dem C64 spielte ich vor allem die Arcade-Klassiker: Pac-Man, Space Invaders, Donkey Kong, Frogger, der ganze Kram. Da hatten wir als Jugendliche immer unser halbes Taschengeld in den Arcade-Automaten versenkt, und jetzt ging das kostenlos am Schreibtisch. Toll. So richtig intensiv ging die Gamerei bei mir aber erst mit dem Amiga los. Allerdings ist das jetzt wahrscheinlich nicht die Aussage, die man in der 8-Bit-Szene hören will. :D


Amiga-Fans hat es auch in der 8-Bit-Szene immer noch genug, er ist ja quasi eine Art großer Bruder vom C64, und den 68K-Prozessor wissen auch heute noch viele zu schätzen. Du hast beneidenswerterweise also das "Golden Age of Arcade Video Games" noch miterleben dürfen - ab Mitte der Achtziger waren Spielhallen aufgrund der neuen Gesetzlage in Deutschland ja quasi schlagartig von der Bildfläche verschwunden. Deine liebsten C64-Spiele hast Du ja genannt, was waren den am Amiga Deine Favoriten?

Etliche, die habe ich auch alle über mehrere Jahre gezockt. Marble Madness, tolle Spielidee, feine Grafik. Lemmings, die kleinen Kerle waren einfach super. Arkanoid immer mal wieder schnell zwischendurch, Pipe Dream genauso; Barbarian. Dann noch so ein Schach mit bewegten Figuren, der Name fällt mir grad nicht mehr ein; Wolfenstein 3D. Und vor allem Doom! Stundenlang, bis ich Hirnsausen von der Zappelgrafik bekam.


Das sind ja lauter hochgelobte Klassiker am Amiga gewesen. Das Schachspiel könnte Battle Chess gewesen sein. Wie sah es mit Deinen Programmierkünsten aus, hast Du auch selbst Software entwickelt, oder sogar veröffentlicht? Wäre ja naheliegend bei all den Listings mit den Du zu tun hattest?

Nein, absolut nicht. Ich sagte ja schon – ein guter Programmierer war ich nie. Deshalb bin ich auch Journalist geblieben. :) Die meisten meiner damaligen Kollegen waren dagegen programmierende Quereinsteiger und sind entsprechend nach dem Ende des Heimcomputer-Booms auch wieder in ihre ursprünglichen Jobs zurückgekehrt. Ich weiß nur von zweien, die mit der Schreiberei weitergemacht haben.


Es ist vermutlich einfacher mit entsprechenden Computer-Sachkenntnissen das Schreiben anzufangen, als andersherum. Du bist heute ja noch Journalist, wenn auch nicht mehr in der Computerbranche. Hast du seit dem Ende der Heimcomputer die Szene noch ein wenig weiter verfolgt? Der C64 feiert bald seinen 40. Geburtstag, und es wird nach wie vor Hard- und Software entwickelt. Vor zwei Jahren war die C64-Portierung von Super Mario Bros ein Anlaß für Nintendo, die Rechtsabteilung einzuschalten. Hast du von solchen Nachrichten Notiz genommen, oder war das Thema Commodore für dich zwischenzeitlich völlig tot?

Naja, an den Computer-Sachkenntnissen herrscht bei mir eigentlich kein Mangel, ich hatte halt bloß keinen Bock auf programmieren. Ich werde schon ungeduldig, wenn ich eine Excel-Formel in eine Tabelle basteln muss. Aber tatsächlich war das Thema Commodore mit der Pleite 1994 durch für mich. Ich hab mich auch unmittelbar danach von den Computermedien verabschiedet, dort war die Entwicklung ja auch absehbar. Bei meinem neuen Arbeitgeber musste ich von Anfang an auf Macs arbeiten, deshalb hab ich mich entsprechend nur noch darauf konzentriert. Seitdem bin ich halt komplett in der Apple-Welt. Dass sich eine derart muntere Szene bis heute um die alten Commodores kümmert, hätte ich nie gedacht. Als ich mich wegen des goldenen C64 beim Forum64 anmeldete, war ich schon völlig perplex über die Resonanz, ich hatte da allenfalls ein paar vereinzelte Freaks vermutet. Vor allem, weil das Thema Internet-Foren bei anderen Interessensgebieten ja eigentlich ziemlich tot ist.


Die Goldene Edition 1.000.012

Ja, die C64 Gold Edition war es ja, wegen der Du nach all den Jahren mal wieder einen Schritt in die Commodore-Szene gewagt hat. Der interessiert viele Fans natürlich besonders. Würdest du die Geschichte, wie Du an das gute Stück gekommen bist, in ein paar Sätzen erzählen? Der Hintergrund dieser Sammlerstück ist oft sehr interessant.

Ein paar Sätze? Ich mach mal lieber die Langfassung.
Ich hatte 1986 die erste eigene Wohnung und war deshalb notorisch pleite, ganz normaler Zustand für einen 19jährigen mit Volontärs-Gehalt. Die Einladung zu der Jubiläumsfeier von Commodore in München, wir hatten in der Redaktion drei davon bekommen, wenn ich mich richtig erinnere, war deshalb genau mein Ding. Gutes Essen für lau, perfekt. Hab ich also gleich den Finger gehoben, denn unser damaliger Chefredakteur hatte abgesagt. Warum weiß ich nicht mehr. Vielleicht keine Lust, vielleicht ein anderer Termin. Also mit zwei Kollegen dort hin, einen schönen Abend machen. Dass jeder von uns plötzlich einen Jubiläums-C64 in die Hand gedrückt bekommt, kam komplett unerwartet, davon wusste vorher niemand. Wir waren satt, nicht mehr ganz nüchtern und hatten jeder einen goldenen C64.
Hat natürlich jeden von uns enorm gefreut und den Absage-Chefredakteur enorm gewurmt. Tagelang hat er uns drei in die Mangel genommen, dass eigentlich ihm so ein Goldener zustehen würde, schon alleine wegen seines „Rangs“. Hat nichts geholfen. Er hat dann auch noch beim Commodore-Pressesprecher Gerold Hahn Alarm gemacht, der hat ihn auch abblitzen lassen – es gab laut Hahn keine mehr, alle vergeben.
Jetzt muss man halt auch bedenken, dass der Goldene zwar besonders war, aber in der damaligen Zeit nicht besonders besonderes. Denk Dir im Vergleich einfach, Du bekommst ein iPad in einem schicken nummerierten Bilderrahmen geschenkt, als Jubiläumsmodell für irgendwas. Das iPad: Super. Der Bilderrahmen: Was soll man damit anfangen? Wie stehen die Chancen, dass Du das iPad aus dem Rahmen nimmst und einfach benutzt, statt es an die Wand zu hängen? Eben.
Das nur als Erklärung, warum es mit meinem Goldenen so kam, wie es kam: Ich schraubte ihn von der Deko-Platte ab und habe ihn ganz normal daheim am Schreibtisch genutzt, meine Texte damit geschrieben, gezockt und in den damaligen Mailboxen herumgestöbert. Als ich später einen C128D für daheim gestellt bekam, war er zunehmend überflüssig. Dann zog ich mit meiner damaligen Freundin in einer neuen Wohnung zusammen, der Goldene verschwand in einem Umzugskarton, die Deko-Platte in einem anderen. Und beide hab ich dann nie wieder geöffnet, wie es halt ist, wenn zwei junge Menschen ihre „Haushalte“ zusammenschmeißen und ihren restlichen Kram irgendwo im Keller lagern. Die ungeöffneten Kartons mit den beiden Teilen sind dann immer weiter mit mir umgezogen, fünf Mal insgesamt.
Das fünfte Mal Umzug führte dann 2005 zu meiner hoffentlichen Wohn-Endsituation in einem niederbayrischen Dorf, wo wir ein „Ensemble“ mit Wohnhaus, Scheune und Werkstatt-Nebengebäude kauften. Das erzähle ich so ausführlich, um den „Fund“ zu erklären. Nach und nach wurde alles renoviert, Haus, Scheune und Werkstatt. Zu Ostern 2021 entschlossen wir uns, den Dachboden über der Werkstatt herzurichten. Und meine Tochter fand dann eben beim Ausräumen genau den Goldenen in einem der dort seit 2005 gelagerten Kartons. Ob sie die „komische Tastatur“ wegwerfen könne, war die Frage, deshalb hab ich mal lieber nachgesehen und hatte dann einen entsprechenden Flashback, ich hatte den Kasten nach über 30 Jahren wirklich komplett vergessen.
Der nächste Weg führte mich dann direkt in die Scheune, auch mit Dachboden, wo der Rest der nie geöffneten Umzugskisten lagerte. Schon in der dritten wurde ich fündig, da war die Platte drin.


Die Geschichte ist für Fans wie uns natürlich eine Tolle Sache. Deine Auktion läuft ja noch und wir wünschen dir einen guten Erlös - und dem Goldenen C64 ein schönes, neues Zuhause. Gibt es etwas, was Du der Retro- und Commodore-Fangemeinde zum Schluß noch sagen möchtest?

Mit bewegenden Abschiedsworten hatte ich es noch nie so. Was mich freute: Die unvoreingenommene Freundlichkeit, mit der ich im Forum64 empfangen wurde. Was mich überraschte: Dass es eine derart große Fanbase für die Rechner von damals gibt. Was mich ärgert: Dass Commodore damals aus dieser marktbeherrschenden Position heraus so grandios gescheitert ist. Fehlentscheidungen am Stück. Sie hätten heute dort sein können, wo inzwischen Apple ist. Worüber ich froh bin: Dass mir der ganze Rummel um einen alten, gold lackierten Brotkasten sehr viele Erinnerungen zurückgebracht hat, die ich aus persönlichen Gründen verdrängt habe. Und seit diesem Interview hab ich deshalb eine originalgetreue pixelige Retro-Version von Lemmings auf dem iPad, geil! Bin schon auf Level 47…


Vielen Dank für Dein Interview.


Anmerkung: Der Goldene C64 wurde am 11. April 2021 versteigert. Er befindet sich jetzt im Besitz eines Forum-64-Users.


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